Diachrone Typologie evidentieller Kontraste (HL)
- Seminar: DI, 16:15 – 18:00 / Unitobler F 004
- Dr. Marius Zemp
- ECTS: 6
Evidentialität wird traditionell als linguistische Kategorie definiert, deren primäre Bedeutung “source of information” ist (Aikhenvald 2004: 3). Hinsichtlich der im Himalaya vorgefundenen Vielfalt an evidentiellen Kontrasten liesse sich auch sagen, dass diese Verbformen anzeigen, woher oder wie man etwas weiss. Allerdings geben diese Kontraste ein Bild ab, welches sehr wenig mit der von Aikhenvald (2004, 2018) vermittelten Typologie zu tun hat. Der wohl grundlegendste Unterschied ist der, dass Aikhenvald – und mit ihr der linguistische Mainstream – Willet (1988: 91) folgt und agentive Verbformen von der Diskussion ausschliesst, während eine angemessene Beschreibung der im Himalaya vorgefundenen Kontraste deren Berücksichtigung erfordert. Die Mehrheit dieser Kontraste besteht nämlich aus Verbformen, von denen die eine mehrheitlich dann verwendet wird, wenn die Sprecherin an einem Ereignis aktiv beteiligt ist (was man gut als ‘egophorisch’ bezeichnen kann, siehe Tournadre 1991; Floyd, Norcliffe & San Roque 2018), und die andere mehrheitlich dann, wenn sie es nicht ist (‘allophorisch’). Allerdings kommen in all diesen Kontrasten auch ‘atypische’ Verwendungen vor, das heisst, die egophorischen Marker werden dann verwendet, wenn die Sprecherin an einem Ereignis nicht aktiv beteiligt ist, und die allophorischen dann, wenn sie es ist. Wir werden in diesem Kurs immer wieder sehen, dass gerade diese ‘atypischen’ Verwendungen uns Aufschluss über die evidentiellen Grundbedeutungen der verschiedenen Kontraste geben (wie z.B. direkt vs. indirekt, wissend vs. direkt, altes vs. neues Wissen, persönlich involviert vs. nicht involviert, mit vs. ohne privilegierten Zugang zu der kommunizierten Information, etc.).
In diesem Kurs erarbeiten wir uns gemeinsam einen Überblick über die im Himalaya und anderen Regionen der Welt vorgefundenen evidentiellen Kontraste, studieren gemeinsam die Quellen, in denen diese beschrieben sind, sowie die sprachlichen Daten, auf die sich diese Quellen stützen, und diskutieren die auf dieser Basis entwickelte diachrone Typologie (Zemp, Brosig & Zúñiga 2021).